Krise als Reifeprüfung
- Jörg Peterkord
- 9. März 2010
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Jan. 2021
„Allahs Intendant“ Michael Schindhelm berichtet in seinem Buch “Dubai Speed” über einen atemberaubenden Dialog zwischen Orient und Okzident. Vor der Lesung im Kloster Bentlage stand er Jörg Peterkord vom Rheiner Anzeiger für einige Interviewfragen zur Verfügung.
Sie sollten die Kultur des Abendlandes an den Persischen Golf holen: Ihr Buch “Dubai Speed” erzählt die Geschichte geplatzter Träume im Wüstensand. Sie träumen dennoch weiter vom modernen Babylon am Golf. Was gibt Ihnen gegenwärtig Hoffnung?
Michael Schindhelm: Oh, das sind nicht nur Träume. Die Golfregion ist nach wie vor eine der dynamischsten Gesellschaften weltweit. In Abu Dhabi entstehen große Museen, Doha hat bereits ein Museum gebaut, der Oman steht kurz vor der Fertigstellung eines Theaters. Dubai hat die Rechnung bezahlt für ein zu schnelles Wachstum. Die Stadt – im Gegensatz zu seinen Nachbarn nicht mit großen Ölressourcen gesegnet – war zur raschen Modernisierung und Kapitalisierung verdammt. Aber Krisen gehören auch zur Reifeprüfung einer Kultur. Das kennen wir aus Europa doch auch, nicht wahr?
Deutsche machen sich gerne über die Kitschig- und Künstlichkeit lustig, mit der andere Kulturen – so auch in Dubai – Geschichte simulieren. Wie gefährlich ist diese abgeklärte Haltung für Kreative, die Neues hervorbringen wollen? Michael Schindhelm: Versucht Berlin nicht gerade das Stadtschloss wiederaufzubauen? Und wie viel Bausubstanz wurde nach Ende des zweiten Weltkrieges kopiert? Oder ein anderes Beispiel: Inwiefern kann man von einem Gebäude, das wie der Kölner Dom über Jahrhunderte gebaut worden ist, von einem „organischen“ Kulturbau sprechen? Abgesehen von Zerstörungen hat jede Kultur ihre Phasen, in denen sie im Spiegel anderer – früherer – Kulturen nach ihrer eigenen Identität sucht. Nachahmung ist meist nur ein Schritt, der vor der Originalität kommt. Das kann auch in Dubai passieren.
Der Spiegel hat Sie als “Allahs Indendant” bezeichnet. Welche Rolle kann westlicher Kulturimport bei der Versöhnung des Islams mit der Globalisierung spielen? Michael Schindhelm: Dubai ist umgeben von Nachbarn wie Iran, Irak, Pakistan, Yemen, Saudi Arabien: Ländern, in denen religiöser Fanatismus und politische Instabilität und Terrorismus herrschen. Der Versuch, eine weltoffene Gesellschaft unter diesen Bedingungen aufzubauen, kann nicht ohne Zusammenarbeit mit denen gelingen, die an einer solchen Öffnung interessiert sein müssen: also dem Westen. Kunst ist ja die entscheidende Möglichkeit, einen Dialog aufzubauen, der sich nicht nur auf das Geschäftemachen beschränkt und in dem die Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Kulturen und Religionen respektiert werden. Sie haben Hoffnung, dass in Dubai die junge Generation, die gerade heranwächst, in Kultur etwas anderes sieht als nur einen Geldbringer.
Muss Kultur denn immer nur kosten oder darf sie auch zur Wertschöpfung beitragen? Michael Schindhelm: Kultur ist eine Investition wie andere. Am Anfang müssen Sie Geld reinstecken. Später bekommen Sie einen Mehrwert. Auch unsere teuren Kulturinstitutionen im Westen haben einen materiellen Mehrwert. Die Politik nennt das heute nicht zu unrecht den weichen Standortfaktor. In neuen Gesellschaften wie Dubai wird aber die Möglichkeit bestehen, die bürokratischen Zöpfe unserer „alten“ Kultur abzuschneiden und Kunstorganisationen aufzubauen, die kreativ sind und wirtschaftlich effizient. Die neue Welt kann also zur Innovation beitragen, in Kooperation mit dem Westen.
Ihr kritischer Erfahrungsbericht über die Arbeit in der Regierung von Dubai ist dort jetzt durch die Zensurkontrolle gelangt. Wähnen Sie sich mit ihrer Analyse des Scheiterns auch als ein Vorbote der Meinungsfreiheit in Dubai? Michael Schindhelm: Ich bin tatsächlich froh, dass Dubai Speed inzwischen auch in der Stadt verkauft werden darf, in der es spielt. Selbstverständlich ist das nicht. Das Buch erzählt ja eine weniger erfolgreiche Begegnung mit dem Zensor von Dubai. Aber allgemein ist auch hier Dubai immer Avantgarde im arabischen Raum gewesen. Westliche Medien haben die Lebens- und Arbeitsverhältnisse in Dubai zu Recht immer wieder kritisiert. Aber sie konnten das auch, weil man sie reingelassen hat. Über Pakistan oder den Iran könnte so nicht berichtet werden. Und manches hat sich auch unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit in Dubai bereits gebessert.
JP: Vielen Dank für das Gespräch!

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