Habeck lobt Pioniergeist der GMH
- Jörg Peterkord
- 3. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Bundeswirtschaftsminister zu Gast am Stahlstandort Georgsmarienhütte

In der lärmenden Halle begegnen sich das 20. und 21. Jahrhundert der deutschen Industrie. Dem Wirtschaftszweig, der auch in Zukunft der Wirtschaft im Land Halt und Rückgrat geben soll. Mittendrin im Medienpulk Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Stahlstandort Georgsmarienhütte. Im Gepäck hatte der Besucher aus Berlin einen symbolischen Scheck über 1,32 Millionen Euro. Mit dieser Summe unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz über das Programm „Dekarbonisierung in der Industrie“ den Bau der zweiten strombetriebenen Vergütungsanlage zur Wärme
behandlung von Stabstahl (EVA II). Diese wird dann die letzte gasbetriebene Vergütungsanlage in der Halle endgültig ablösen. Mit EVA I läuft bereits seit Februar dieses Jahres die erste Anlage dieser Art. Beide „Evas“ sind für die GMH Meilensteinsteine auf dem Weg zum Ziel, nämlich den Betrieb bis 2039 zu klimaneutralisieren. Ein Generationenprojekt für den 167 Jahre alten Hersteller von Stahl für Kurbelwellen, Maschinenzylindern und eben auch von Verbindungselementen für Windkraftanlagen. Es gilt, die Kundschaft zu halten und der Firma am Standort mit hochwertigsten Produkten eine Zukunft zu geben. Die hohen Strompreise unterlaufen indes die Ambitionen des Unternehmens, das seit mehr als 30 Jahren mit viel Leidenschaft und Innovationskraft Klimaneutralität anstrebt.
„Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Das Klima-Engagement zahlt uns kein Kunde. Wir müssen weiter investieren in Projekte wie die EVA. Und vor allem müssen wir sicherstellen, dass die Arbeitsplätze gesichert werden, damit wir in Zukunft weiterhin Produkte für erneuerbaren Energien erzeugen können“, betonte Anne-Marie Großmann, Chief Development Officer (CDO) der GMH Gruppe, beim Pressegespräch. Habeck unterstützt dieses Anliegen. Er fordert eine staatliche Vorfinanzierung des Stromnetzausbaus in Deutschland, um die Netzentgelte für die Industrie zu senken. Es seien schließlich Investitionen für die nächsten Generationen beim Netzausbau zu tätigen. Einen politischen Streit erwarte er deshalb nicht. Schließlich sei die Entlastung von den Netzentgelten vor dem Verfassungsgerichtsurteil zum Bundeshaushalt von der Ampel-Koalition bereits so geplant gewesen. Jetzt fehle zwar das Geld, aber nicht der politische Wille. Der Bundeswirtschaftsminister
verwies auf Vorschläge des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), der ein Sondervermögen zur Entlastung energieintensiver Unternehmen fordert. Klar ist auch, dass an diesen Entscheidungen wiederum langfristige Investitionsentscheidungen wie die der GMH Gruppe gekoppelt sind. Allein die Vorbereitung für die EVA I dauerte mehr als zehn Jahre. Alexander Becker, CEO der GMH Gruppe, nahm den Gedanken von Habeck gerne auf: „Das freut mich sehr zu hören. Denn der ausgebliebene Zuschuss zu den Netzentgelten hat uns den Teppich unter den Füßen weg
gezogen. Wir konnten ein Drittel der geplanten Investitionen nicht tätigen. Der Zuschuss zu den Netzentgelten ist ein Muss, um in Deutschland weiter produzieren zu können.“ Gleichzei
tig warb er dafür, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt wieder in einen positiven Modus kommen sollte. „Wir als GMH machen das“, resümierte
Becker. Die Verunsicherung sei auch dadurch entstanden, dass die Strompreise sehr hoch waren und dass unter anderem der Industriestrompreis, der von Habeck gefordert wurde, nicht gekommen sei.
GMH Gruppe kauft Kind & Co., Edelstahlwerk
Ihre positive Haltung trotz schwieriger Rahmenbedingungen unterstreicht die GMH Gruppe indes aktuell auch mit dem Kauf von 100 Prozent der Anteile an der Kind & Co., Edelstahlwerk, GmbH & Co. KG. Das Unternehmen ist auf die Herstellung und Veredlung von hochlegierten Stählen spezialisiert und bietet eine breite Palette an Werkzeugstählen und Sonderlegierungen. Kind&Co mit Sitz in Wiehl erwirtschaftete im Jahr 2023 einen Umsatz von rund 125 Millionen Euro. Die Integration in die Unternehmensgruppe soll die Position der GMH Gruppe in der Werkzeugstahlindustrie und hier insbesondere in dem Segment der Warmarbeitswerkzeugstähle, in dem Kind&Co eine international herausragende Position einnimmt. Die Transaktion ist am 30. September 2024 abgeschlossen worden. Etwa 17.000 Tonnen Material könnten in Georgsmarienhütte pro Jahr in der Einzelvergütungsanlage (EVA) zum Stahl der Zukunft bearbeitet werden. Damit ist dieser Teil der Produktion nun ebenfalls so grün wie der Strommix, der dem Stahlwerk zur Verfügung steht. Das bedeutet der GMH Gruppe zufolge eine CO₂-Einsparung von 2800 Tonnen. Ende 2026 soll die zweite „Eva“ in Betrieb
gehen. Auf fast 22 Millionen Euro beläuft sich die Investition der GMH Gruppe in beide EVA-Anlagen zusammen.
Habeck fordert mehr Haltung ein
Während EVA I auf die Bearbeitung von Stäben kleinerer Durchmesser von 20 bis 60 Millimetern ausgelegt ist, soll die bis voraussichtlich Ende 2026 fertiggestellte EVA II gleicher Bauart für die Wärmebehandlung von Stabstahl zwischen 35 und 100 Millimetern Durchmesser ausgerichtet werden. Beide Anlagen zusammen können im Vollbetrieb eine Gesamtkapazität von 35.000 Tonnen Stahl auf Strombasis vergüten. „Dadurch können in den nächsten zehn Jahren weit mehr als 50.000 Tonnen CO₂ zusätzlich eingespart werden“, kommentierte der CEO Becker.
Die Georgsmarienhütte sei schon vor 30 Jahren, als Familienunternehmen, damals ohne öffentliche Förderung vorangegangen und habe angefangen, die Technik einzubauen, die heute Standard werden soll, hob Wirtschaftsminister Habeck hervor. „Wenn alle so vorangehen, wie sie es gerade beschrieben haben, dann macht Deutschland den Rücken gerade. Und es geht voran.“ jpe
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