Eigenleistung lohnt nicht
- Jörg Peterkord
- 20. Juli 2008
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Jan. 2021
Hartz-IV-Kinder bei Ferienjobs benachteiligt / Caritas: Junge Menschen verlieren die Motivation zu arbeiten
Beraten, fördern, vermitteln und demotivieren – für Kinder aus Bedarfsgemeinschaften, die mit einem Ferienjob eigenes Geld verdienen möchten, gilt insbesondere Letzteres. Schüler aus einem Hartz-IV-Haushalt gehen ab dem 101.Euro im Monat fast leer aus für ihre Leistung. Denn ihr Einkommen wird mit den Einkünften der Eltern verrechnet.

Für viele Schüler sind Ferienjobs eine gute Gelegenheit, Geld zu verdienen – für den Führerschein, um für die erste eigene Wohnung zu sparen oder für den Urlaub. In der Regel sind die Jobs sogar sozialabgabenfrei. Weil die meisten Schüler nicht annähernd auf 7664 Euro
im Jahr kommen, brauchen sie auch keine Steuern zu zahlen.So weit, so gut. Für Kinder, deren Eltern Hartz-IV-Leistungen erhalten, sieht die Welt ganz anders aus. Ihr Einkommen zählt zu den Einkünften der Bedarfsgemeinschaft und wird mit den staatlichen Hilfen verrechnet. „Das ist demotivierend für die Jugendlichen“, räumt Heinz-Jürgen Meyer, Fachbereichsleiter der Arge Warendorf ein. Doch staatliche Leistungen hätten immer auch einen negativen Beigeschmack. Jugendliche, die diese Einkünfte nicht melden, laufen wegen der Datenabgleiche mit den Angaben der Arbeitgeber Gefahr, mit Bußgeldern und Ordnungswidrigkeitsverfahren belegt zu werden. Wie viele Kinder und Jugendliche im Bereich der Arge Warendorf von der Regelung betroffen sind, konnte Meyer nicht beziffern: „Wir haben noch keine Umfrage durchgeführt, aber das wäre schon interessant.“ Theoretisch könnten sich Ferienjobber auch zeitweise aus der Bedarfsgemeinschaft abmelden, wenn das Ferienjob- Einkommen die entsprechende Höhe erreicht. Die Folge: Das Kindergeld würde den Eltern komplett als Einkommen angerechnet, und die Hilfsleistungen sinken. Der Weg aus der Bedarfsgemeinschaft in die Leistungsgesellschaft ist gepflastert mit Widersprüchen. „Gerade junge Menschen, die es nötig haben, sich zu beweisen, werden durch diese Regelung entmutigt“, kritisiert Josef Hörnemann vom Kreis-Caritasverband. So habe er auch vor kurzem einer Mutter, deren Kind sich in den Ferien was verdienen wollte, entsprechend beraten. „Das ist eine ganz schwierige Geschichte“, so Hörnemann. Auch den Wohlfahrtsverbänden dürfte daran gelegen sein, ihre Klienten zu mobilisieren. Doch der Hartz-IV-Hemmschuh ist groß. Vom Ferienjobeinkommen ist lediglich der Grundfreibetrag von 100 Euro je Monat von der Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II ausgenommen. Ab dem 101. Euro muss der Schüler 80 Prozent in den Topf der Bedarfsgemeinschaft werfen. Würde er also 400 Euro verdienen, dürfte er gerade mal 160 Euro behalten. 240 Euro würden mit dem Regelsatz verrechnet. Er könnte auch nicht sein Einkommen auf das Gesamtjahr verrechnen, um den monatlichen Verrechnungssatz zu senken. Diese Möglichkeit sehen die Regelungen beim Arbeitslosengeld II nicht vor. Kinder, die mit der Hypothek ihrer sozialen Benachteiligung in eine problematische Zukunft hineinwachsen, machen auf diese Weise Bekanntschaft mit einer Bürokratie, die auf ihre Belange keine Rücksicht nimmt.
Arme reiche Gesellschaft Einmal Hartz IV – immer Hartz IV: Diese Gleichung scheint sich angesichts der Ferienjob-Regelung durch alle Generationen zu ziehen. Will man mit der Regelung nun die arbeitslosen Eltern oder ihre Kinder bestrafen? Die Antwort auf diese Frage ist müßig. Armut spaltet die Gesellschaft bis in die Schulferien. Wo Mitschüler ihren Verdienst behalten dürfen, gucken Hartz- IV-Kinder in die Röhre. Fördern und Fordern bleibt so eine leere Absichtserklärung. Ist eine Gesellschaft, die über Spareinlagen von einigen Billionen Euro verfügt, mittlerweile moralisch so verarmt, dass sie sich auch noch an den Ferienjobs der Jugendlichen aus den so genannten Bedarfsgemeinschaften bereichern muss?
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